Bei der Gestaltung eines modernen Tiergeheges achtet man sehr genau auf das natürliche Verhalten der dort untergebrachten Tierart. Was braucht das Tier? Hat es genügend Rückzugsmöglichkeiten? Arten, die ursprünglich in einem tropischen Regenwald leben, müssen Zugang zu einem beheizten Innenbereich haben, sobald es draußen zu kalt wird. Daneben versuchen wir, das natürliche Verhalten der Tiere zu stimulieren, indem wir sie mit verschiedenen Formen der Verhaltensanreicherung (Behavioral Enrichment) überraschen. In dieser Ausgabe beantworten wir die Frage, wie wir Schimpansen mit Futterspendern herausfordern.
Schimpansen sind äußerst intelligente Menschenaffen. Ihre DNA ist zu mehr als 98 Prozent mit der des Menschen identisch. Berühmte Verhaltensforscher wie Frans de Waal und Otto Adang haben an den Arnheimer Schimpansen geforscht und bahnbrechende Publikationen darüber verfasst. Seit den Anfängen der Schimpansengruppe im Jahr 1971 haben diese Tiere im Burgers‘ Zoo kontinuierlich die Aufmerksamkeit von Verhaltensforschern aus aller Welt auf sich gezogen. Sowohl mit der Universität Utrecht als auch mit der Universität Wageningen arbeiten wir bereits seit vielen Jahren auf dem Gebiet der Verhaltensforschung an verschiedenen Tierarten zusammen. Bei den Schimpansen forschen fast ausnahmslos Studierende (aus dem Umfeld) der Universität Utrecht, da wir seit Langem eine enge Beziehung zu dem dortigen, nun emeritierten Professor Jan van Hooff pflegen.
Verhaltensforschung Schimpansen
Während dieser Artikel verfasst wird, führt erneut eine Studentin Verhaltensstudien in unserer Schimpansengruppe durch. Ihre Untersuchungen sind in verschiedene Phasen eingeteilt: zum einen wegen ihres Forschungsdesigns und zum anderen, da wir aufgrund der Coronapandemie besonders strenge Vorsichtsmaßnahmen bei den Affen treffen. Die Studentin arbeitet mit zwei präparierten Boxen, die jeweils aus zwei verschiedenen Fächern bestehen. Ein Fach enthält eine schmackhafte Belohnung für die Affen, das andere enthält die Apparatur, mit der sich der Mechanismus fernsteuern lässt. Wenn die Schimpansen die Klappe an der Oberseite öffnen, können sie eine kleine Belohnung aus der Box fischen. Anschließend kann die Forscherin aus der Ferne einen Knopf drücken, um die nächste Belohnung bereitzustellen. Getrockneter Mais hat sich als eine Delikatesse entpuppt, für die die Affen sich gerne ins Zeug legen.
Wenn die schlauen Affen den Trick durchschaut haben und es ihnen jedes Mal gelingt, die Belohnung zu ergattern, wird der Schwierigkeitsgrad erhöht. Dafür wird die Box auf einer dünnen Stange in einiger Entfernung vom Boden aufgestellt. Der Affe kann nun nicht mehr neben der Kiste sitzen und den Deckel öffnen, sondern muss sich auf die Kiste setzen. Dann lässt sich jedoch der Deckel nicht mehr öffnen. Der Affe muss also begreifen, dass sein eigenes Körpergewicht dem Erfolg im Wege steht und in einer gymnastischen Übung eine Körperposition finden, die es ihm ermöglicht, den Deckel zu öffnen. Die Tiere meistern auch diese neue Herausforderung recht schnell. Interessant ist, wie unterschiedlich Schimpansen als Individuen reagieren. Genau wie beim Menschen ist das eine Tier schneller und geschickter als das andere. Für die Schimpansen ist diese Box eine angenehme Abwechslung; auf wissenschaftlicher Ebene nutzt die Studentin das Experiment, um das „Körperbewusstsein“ der Affen zu testen.
Wir stellen die Affen auch vor andere Herausforderungen, zum Beispiel in Form von Gedulds- oder Knobelspielen. Bei einem Spiel, das von den Tierpflegern selbst entworfen wurde, muss der getrocknete Mais durch ein Labyrinth wandern, bis er durch ein Loch im Boden herausfällt und gegessen werden kann. Einige Tiere versuchen es zunächst mit roher Gewalt – die Zugkraft eines erwachsenen Schimpansenmännchens entspricht in etwa der kombinierten Zugkraft von fünf erwachsenen Männern –, aber es stellt sich bald heraus, dass reiner Kraftaufwand nicht der Schlüssel zum Erfolg ist. Teamwork ist gefragt: Wenn man die Kiste aus Holz und stabilem Plexiglas mit vereinten Kräften im richtigen Winkel zur Seite kippt, rollen die Maiskörner immer näher an das Loch im Boden heran. Zusammenarbeit zahlt sich also aus! Und auch das finden die intelligenten Tiere ziemlich schnell heraus. Eine weitere auffallende Ähnlichkeit mit dem Menschen: Das eine Tier hat mehr Geduld und Ausdauer als das andere!
Mit den oben genannten Herausforderungen – bei denen es nur darum geht, zusätzliche Belohnungen zu erhalten; die Tiere werden dadurch nie belästigt und die Teilnahme ist freiwillig – simulieren wir Denkaufgaben, denen sich Schimpansen auch in freier Wildbahn stellen müssen. Wie bekommt man das köstliche Fruchtfleisch aus einer Nuss mit steinharter Schale heraus? Wie kommt man an die Termiten in einem Termitenhügel heran, ohne dass sie einem in die Finger beißen? Und wie lassen sich durch Teamarbeit Aufgaben bewältigen, die im Alleingang zum Scheitern verurteilt sind? Indem wir den Schimpansen ähnliche Herausforderungen anbieten, regen wir nicht nur ihre Intelligenz an, sondern fördern zudem ihr natürliches Verhalten – auch wenn sie in freier Wildbahn nicht auf ein Knobelspiel oder eine „Enrichment-Box“ treffen würden.
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