Im Burgers’ Zoo bevorzugen wir in unserem Bestand Tiere, die ihre Jungen selbst, also ohne die Hilfe von Tierpflegern, aufziehen. Jungtiere lernen von der Mutter und/oder vom Vater wichtige Fähigkeiten, die später buchstäblich lebensnotwendig sind. Bei einigen Tierarten spielt das Vatertier in dieser Hinsicht sogar eine wichtigere Rolle als die Mutter. Bei mehreren Arten übernehmen die älteren Geschwister eine unterstützende Rolle bei der Aufzucht der Jungen, und bei anderen Arten ist sogar die ganze Gruppe an der Ausbildung der Jungen zu vollwertigen erwachsenen Gruppenmitgliedern beteiligt. Wenn Jungtiere von Menschen großgezogen werden, werden ihnen viele lebenswichtige, artspezifische Fähigkeiten während des Heranwachsens nicht vermittelt. Solchen Tieren fällt oft schwer, sich anschließend in eine Gruppe von Artgenossen zu integrieren. Manchmal jedoch gibt es triftige Gründe, sich für die Handaufzucht zu entscheiden. In dieser Ausgabe geht es um die Handaufzucht bei Pelikanen.
Vor einigen Jahren haben wir uns bei einer Gruppe von Rosapelikanen einmal für die Aufzucht von Hand entschieden. Der Hauptgrund war seinerzeit, dass es sich bei den Vögeln, die wir gerade erst bekommen hatten, um junge Tiere handelte, die alle noch keine Erfahrung mit der Brutpflege und der Aufzucht von Jungen hatten. Manche von ihnen waren sogar so unbedarft und tapsig, dass sie die Eier von brütenden Artgenossen versehentlich zertraten. Pelikane sind echte Koloniebrüter und für diese gilt, dass die Brutergebnisse umso besser werden, je größer die Gruppe ist. Durch die Unterstützung der Vogelgruppe in Form von neuem Nachwuchs wollten wir diesen Prozess positiv beeinflussen und beschleunigen. Pelikane können bis zu vierzig Jahre alt werden und somit lange Zeit harmonisch in einer Kolonie zusammenleben.
Die Tierpfleger sammelten die befruchteten Eier aus den Nestern und legten sie in den Brutkasten. Meist legen Pelikane zwei oder drei Eier, aber auch Gelege mit nur einem Ei oder bis zu vier Eiern kommen vor. Die Brutzeit beträgt etwa vier bis fünf Wochen.
In den ersten 24 Stunden nach dem Schlüpfen werden die jungen Pelikane noch nicht gefüttert, damit der Dotter vollständig verdaut wird. In der ersten Phase, einen Tag, nachdem die jungen Vögel geschlüpft waren, fütterten sie die Tierpfleger etwa alle zwei Stunden. Ihre Nahrung bestand aus Futtermäusen, von denen kleinen Stücke gereicht wurden. Zu Anfang handelte es sich um Fleisch von Eintagsmäusen, ab Tag zehn wurden Stücke von ein paar Tage alten Mäusen verfüttert und ab Tag 16 Stücke von halbwüchsigen Mäusen. Nach einiger Zeit wurden diese Fleischstücke durch Fischstücke und später sogar ganze Fische ersetzt. Jungen Pelikanen kann man beim Wachsen regelrecht zusehen! Sie kommen nackt zur Welt, entwickeln aber schon bald ein graues Daunenkleid, das später durch das Jugendgefieder ersetzt wird. Nach etwa einem Jahr haben die Vögel das weiße oder leicht rosafarbene Federkleid des ausgewachsenen Vogels.
Um zu verhindern, dass die Jungvögel sich zu sehr an Menschen gewöhnen, und um sie stattdessen auf ihre Artgenossen zu prägen, setzten wir die Jungvögel in spezielle Boxen mit verspiegelten Wänden. Zwar befand sich jeder Vogel in einer eigenen Box, aber die Boxen standen so nah beieinander, dass die jungen Pelikane sich den ganzen Tag hören konnten. Am Anfang ragten die Jungvögel nicht über die Wände der Boxen hinaus. Jedoch wachsen Pelikane wie gesagt rasant, und so konnten sie sich schon bald auch gegenseitig sehen. In freier Wildbahn bringt die Mutter Nahrung, indem sie eine Art Fischbrei hochwürgt, den die Jungvögel gierig aus ihrem offenen Schnabel und Kehlsack picken. Ein besonderes Detail ist, dass die Jungvögel das Futter mit dem Schnabel seitlich aufnehmen, also ihren Kopf beim Fressen schräg halten. Die erwachsenen Vögel werden bei uns im Zoo mit Süßwasserfisch gefüttert, denn der Rosapelikan lebt in freier Wildbahn hauptsächlich in Süßwassergebieten. Wir ergänzen ihren Speiseplan mit sogenannten „fish eater tablets“, damit die Vögel zusätzliche Vitamine und Mineralien für fischfressende Vögel erhalten. Das ist notwendig, weil immer Vitamine und Mineralien verloren gehen, wenn Süßwasserfische eingefroren werden, egal wie frisch sie beim Einfrieren sind.
Ab Tag 52 konnten die jungen Pelikane gemeinsam gehalten werden. Als die Jungvögel groß genug waren, wurden sie erfolgreich in die Gruppe eingeführt. Auf diese Weise haben wir die Entwicklung unserer noch jungen Pelikankolonie gefördert und inzwischen sind die von Hand aufgezogenen Pelikane vollwertige Mitglieder der Brutgesellschaft. Durch möglichst minimalen Kontakt zu Menschen bei der Fütterung und den Kontakt zu Altersgenossen während des gesamten Prozesses konnten wir erreichen, dass die handaufgezogenen Tiere nicht auf den Menschen fokussiert sind. Sie zeigen in der Gruppe das gleiche natürliche Verhalten wir ihre Artgenossen.