Für viele Menschen sind Rothschildgiraffen charismatische Tiere. Die anmutigen Wiederkäuer beeindrucken uns schon allein durch ihre immense Größe: Erwachsene Männchen können fünfeinhalb bis sechs Meter groß werden, die Weibchen bleiben etwas kleiner. Auch das Gewicht der Tiere ist bemerkenswert: Männchen bringen bis zu 1600 Kilogramm auf die Waage, Weibchen wiegen als ausgewachsene Tiere immerhin etwa 1000 Kilo.
„Das Erste, was sofort ins Auge springt, ist natürlich die schiere Größe dieser Tiere“, beginnt Martijn, einer der Tierpfleger, die mit den Giraffen arbeiten. „Wegen dieser Körperlänge hängen wir ihr Futter in großer Höhe auf: Schließlich zupfen Giraffen in freier Wildbahn mit ihren langen geschickten Zungen Blätter aus Baumkronen. Bei uns im Zoo fressen sie hauptsächlich Luzerneheu; es enthält mehr Eiweiß und Blattstücke als gewöhnliches Heu. Darüber hinaus bekommen die Tiere Weidenzweige. Die mögen sie so gerne, dass sie nur das Innere der Zweige übriglassen: Sie fressen nicht nur die Blätter, sondern schälen auch die gesamte Rinde ab.“
Martijn nimmt mich mit in die leeren Ställe: Die Tiere sind tagsüber im Prinzip die ganze Zeit, außer bei starkem Frost, draußen auf der Savannenfläche. Bei Minustemperaturen lässt der Zoo besondere Vorsicht walten, allerdings nicht so sehr der Kälte wegen, sondern weil bei Glatteis die Gefahr droht, dass die Tiere ausrutschen und sich die langen Beine brechen. „Siehst du die Tonnen mit den Löchern, die über den Stallboxen hängen?“, fragt mich Martijn. „Die setzen wir ein, damit die Giraffen sich ein wenig strecken müssen, um an ihr Futter zu gelangen. Außerdem müssen sie, wie in der Wildnis, ihre geschickten Zungen einsetzen, um die Nahrung zu erreichen und zu sich zu nehmen. Die Futtertonnen haben also die Funktion einer Verhaltensanreicherung. Wie auch in der afrikanischen Savanne sind die Giraffen bei uns einen großen Teil des Tages und der Nacht damit beschäftigt, sich mit Nahrung zu versorgen.“
„Viele Menschen haben ein ziemlich romantisches Bild vom Beruf des Tierpflegers. Es ist natürlich wirklich eine sehr schöne Tätigkeit, aber sie beinhaltet auch harte Arbeit und körperlichen Einsatz. Diese Heuballen müssen wir beispielsweise jeden Tag in die Höhe hieven. Zum Glück haben wir dafür Flaschenzüge, und auf der Savannenfläche verwenden wir eine Ratsche, mit der wir die Seile über Umlenkrollen hinaufkurbeln können. Und: Giraffenkot besteht zwar aus relativ kleinen Köteln, aber diese scheiden die Tiere meistens aus, während sie sich bewegen. Wir müssen also über eine ziemliche Strecke Kot zusammenfegen und aufkehren.“
Seit einigen Monaten darf der Burgers’ Zoo wieder Rothschildgiraffen züchten; so hat es der Koordinator des europäischen Populationsmanagement-Programms entschieden. Die Tragzeit beträgt bei Giraffen 14 Monate. „Fünf der acht Weibchen erhalten Verhütungsmittel, die anderen drei dürfen Junge bekommen,“ erzählt Martijn. „Jeden Paarungsversuch, den wir beobachten, notieren wir. Wenn danach keine Paarungen mehr stattfinden, ist das normalerweise ein Zeichen dafür, dass das Weibchen trächtig ist.“ Martijn zeigt mir eine Tabelle, in der sorgfältig für jedes Weibchen die Deckversuche verzeichnet sind. „Auf diese Weise können wir ziemlich genau vorhersagen, wann die Geburt vermutlich stattfinden wird.“
Ein interessantes Projekt bei den Giraffen ist das Training des erwachsenen Männchens. Die Trainings im Burgers’ Zoo finden auf reiner Belohnungsbasis statt und sind immer freiwillig: Wenn ein Tier keine Lust hat, kann es die Aufgaben einfach ignorieren. Das Ziel bei dem aktuellen Giraffentraining besteht darin, das erwachsene Männchen auf sicherem Wege von den Weibchen zu trennen. „Momentan arbeiten wir mit einem sogenannten Recall-Training: Das Tier wird belohnt, wenn es auf ein Signal reagiert, mit dem wir es in unsere Richtung rufen. Daneben arbeiten wir auch mit einem Target-Training. Wenn das Tier mit seiner Nase den Target-Ball berührt, erklingt ein kurzer Pfeifton und daraufhin bekommt die Giraffe einen kleinen Leckerbissen zu fressen. So bringen wir dem Tier bei, die Berührung des Balls und die Belohnung miteinander in Verbindung zu bringen. Und auf diese Weise lässt sich die Giraffe auf die Dauer sozusagen lenken.“
Gibt es noch andere Besonderheiten, die den meisten Besuchern unbekannt sind? Martijn denkt eine Weile nach und erzählt dann: „Dass Giraffen mit ihren Hinterbeinen heftige Tritte austeilen können, dürfte allgemein bekannt sein. Mit einem gut platzierten Tritt kann eine Giraffe einem Löwen den Schädel spalten. Was viele Menschen jedoch nicht wissen, ist, dass eine Giraffe quasi kreisförmig zu allen Seiten austreten kann. Auch mit den Vorderbeinen können sie harte, gefährliche Tritte austeilen: nicht nur nach vorne, sondern auch seitwärts. So friedlich Giraffen von ihrem Charakter her auch sind, ihre Fähigkeit, gezielte Tritte auszuteilen, sollte man immer im Hinterkopf behalten.“
Meine Frage zum Abschluss lautet: Worauf achtet man besonders, wenn man als Giraffenpfleger seine Tiere beobachtet? „Wir schauen uns immer das Verhalten der Tiere an, achten auf den Zustand ihres Fells, aber beispielsweise auch auf die Konsistenz ihrer Exkremente. Sieht alles natürlich und gesund aus? Oder bemerken wir kleine Veränderungen? Wenn ja, worauf deuten diese Veränderungen hin? Natürlich möchte man eventuelle Gesundheitsprobleme frühzeitig entdecken, damit der Tierarzt bei Bedarf eine Untersuchung durchführt.“
Um 7.30 Uhr morgens entdeckten die Tierpfleger im Königlichen Burgers’ Zoo ein neu geborenes Jungtie…
9 Februar 2024
In unserem Zoo leben Hunderte außergewöhnlicher Tierarten. Im Rahmen der europäischen Programme zum…
3 Januar 2022
23 April 2020